PERRY-RHODAN-Kommentar 2401


VOR 20 MILLIONEN JAHREN ...


Die Idee an sich ist so naheliegend wie simpel: Weil derzeit niemand genau weiß, was es mit der als Retroversion umschriebenen Methode zur Bekämpfung einer entstehenden Negasphäre auf sich hat und auf welche Weise sie im Detail funktioniert, muss man »nur« vor Ort nachsehen. Bekannt ist schließlich, dass vor rund 20 Millionen Jahren in der etwa 45 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxis Tare-Scharm die Retroversion gelungen ist – wenngleich zu einem hohen Preis: Immerhin kostete es der Superintelligenz ARCHETIM das Leben und verwandelte den verbliebenen psimateriellen Korpus in das »sechsdimensional funkelnde Juwel«.

Damit ist allerdings auch die Problematik beschrieben, die die so naheliegende Idee in eine kaum zu bewältigende Schwierigkeit verwandelt. Selbst wenn wir den Aspekt der konkreten Umsetzung der Retroversion einmal außen vor lassen, die immerhin mit den Tod einer Superintelligenz verbunden war, ist bereits das »vor Ort beobachten« ein Hindernis der besonderen Art.

Im Frühjahr 1346 NGZ ist nicht einmal die genaue Position von Tare-Scharm bekannt. Doch selbst wenn man sie kennen würde, wäre die Distanz von rund 45 Millionen Lichtjahren unter den Bedingungen der erhöhten Hyperimpedanz eine schwer zu überwindende Kluft. Unüberwindlich wäre sie nicht – es fragt sich allerdings, ob ein dazu notwendiger Aufwand noch in einer brauchbaren zeitlichen Relation stünde, um Aussicht auf Erfolg zu haben. Schließlich schreitet unterdessen ja die Entwicklung in Hangay unaufhaltsam voran. Hinzu kommt ein zweiter, kaum weniger problematischer Aspekt. In der Gegenwart sind nach rund 20 Millionen Jahren in Tare-Scharm vermutlich keinerlei brauchbare Hinweise auf die Retroversion mehr aufzufinden.

Somit ist mit dem »vor Ort beobachten« neben der Überwindung der rein räumlichen Kluft auch die von 20 Millionen Jahren verbunden, sprich mit einer Zeitreise. Positiver Aspekt hierbei ist, dass eine solche in eine Epoche führen würde, die lange vor dem Hyperimpedanz-Schock von 1331 NGZ angesiedelt ist, so dass sämtliche zur Verfügung stehenden technologischen Erkenntnisse »alter Art« zum Einsatz kommen könnten. Zwar ließe sich auf diese Weise das Problem der räumlichen Kluft deutlich verringern, doch dieses wird andererseits durch das der Zeitreise über eine »Distanz« ersetzt, die alles andere als ein Klacks ist. Ob sich 20 Millionen Jahre mit einem »normalen« Nullzeitdeformator terranischer Produktion hätten überwinden lassen, darf zu Recht bezweifelt werden – zumal der Start ja unter den Bedingungen der erhöhten Hyperimpedanz zu erfolgen hätte.

Die »Lösung« lag in der Konstruktion des Algorrianischen Kontextwandlers. Da der K-Wandler maximal rund 200 Millionen Tonnen Masse bewältigen kann, fiel die Wahl für das Transportmittel auf die JULES VERNE in Form der beiden 800-Meter-Schiffe der APOLLO-Klasse plus Mittelteil zur Unterbringung der beiden »Meiler« – technisch bestens ausgestattet, um in der Vergangenheit den Flug nach Tare-Scharm durchführen zu können.

Liebend gern hätte Perry Rhodan zunächst nur einen »kurzen« Zeitsprung über einige Jahrtausende ausgeführt; dort hätte die Technik der JULES VERNE unter den Bedingungen des alten Hyperimpedanz-Wertes überprüft werden können, Oberst Ahakin hätte seine Mannschaft einige Monate mit dem Hantelschiff »gedrillt« – und man wäre bestens präpariert in die eigentliche Zielzeit weiter durchgestartet. Doch Malcolm S. Daellian und die Algorrian haben diesem Plan einen Strich durch die Rechnung gemacht – mit der reichlich kleinlauten Eröffnung, niemand könne genau vorhersagen, wie viele Einsätze der K-Wandler überhaupt überstehen kann, bevor er »ausbrennt«.

Es ist immerhin ein noch nie eingesetzter »Prototyp«, der überdies unter enormem Zeitdruck mit – für algorrianische Verhältnisse – »fürchterlich unzureichenden Mitteln« aus dem Boden gestampft wurde. Die auf Jonathon aufgetretenen Probleme (siehe PR 2391) wurden zwar behoben, aber leider musste damit gerechnet werden, dass es beim Einsatz weitere oder andere geben wird. Von hundertprozentigem Vertrauen in den K-Wandler kann also absolut keine Rede sein. Eher das Gegenteil ist der Fall, wenn wir bedenken, wie viel Geheimniskrämerei im Vorfeld bei der Konstruktion im Spiel war. Immerhin wurde der K-Wandler als »Maschine, die man nicht bauen darf« bezeichnet. Was wiederum bedeutet, dass sogar die Algorrian eine solche Konstruktion niemals vorher in der Praxis realisiert haben.

Der Kontextsprung in die Vergangenheit ist zwar gelungen, aber nun scheinen die eigentlichen Probleme erst zu beginnen ...

Rainer Castor