PERRY-RHODAN-Kommentar 2182


QUERVERWEISE (I)


Während die beiden »Liebenden der Zeit« an Bord der SOL ihre Geschichte erzählen, die selbstverständlich den eher persönlichen Sichtwinkel darstellt, offenbaren sich den staunenden Zuhörern durch die parallel mitlaufenden Auswertungen SENECAS mehr und mehr Zusammenhänge. Vieles, was mitunter nur in einem Nebensatz angesprochen oder knapp angedeutet wird, ruft Assoziationen wach, lässt sich mit früher gewonnenen Informationen kombinieren und ordnet sich langsam zu einem überaus faszinierenden Gesamtbild.

Ein Gesamtbild, das einerseits viele neue Puzzleteilchen beinhaltet, andererseits aber schon Bekanntes aus einer neuen Perspektive zeigt. Wir sollten also diese »Querverweise«, die über die direkte Erzählung der Algorrian hinausgehen, einmal genauer unter die Lupe nehmen. Da wir hier ja »unter uns« sind, können wir auch die eine oder andere Zusatzinformation einfließen lassen, um die Dimensionen des Gesamtbildes noch besser darzustellen.

Mit den Informationen über den Zeitbrunnenbau, die Superintelligenz THOREGON und ihre Aktivitäten bis hin zu jenen über die Brücke in die Unendlichkeit wird an sich schon ein gewaltiger Bogen geschlagen. Doch die damit verknüpften Dinge reichen bei genauerer Betrachtung noch viel weiter und führen uns noch tiefer in die Vergangenheit. In eine Zeit vor mehr als 100 Millionen Jahren und zum angeblichen Stammvolk aller humanoiden Lebensformen.

Damals entstand auf Aupert (»Erde im Licht«), dem zweiten Planeten der Sonne Aupertir in der Galaxis K’aan, das humanoide Volk der V’Aupertir (»Menschen der Erde und der Sonne«). Nach langem Ringen erlangten die V’Aupertir die staatliche Einheit ihrer Heimatwelt, erreichten die übrigen Planeten ihres Sonnensystems, entwickelten die Gentechnologie und überwanden nach der Entwicklung des Transitionstriebwerks in der Konfrontation mit Fremden endgültig ihre inneren Gegensätze. Als nach den wilden Jahren das »Zeitalters der Barbarei« endete, brach das »Zeitalter der Eroberer« an, in dem sich die V’Aupertir genetisch veränderten und die Galaxis K’aan unterwarfen.

In den folgenden Jahrzehntausenden kolonisierten sie auch die Nachbargalaxien und steigerten künstlich ihre Intelligenz. Die Unterschiede zwischen den Bewohnern Auperts und ihren an andere Welten angepassten Nachkommen vertieften sich. Das »Zeitalter der Wissenschaft« endete in Stagnation und Zerfall, Aupert geriet in Vergessenheit, das »Zeitalter der ersten Stille« begann. Während sich ihre Abkömmlinge weiter über den Kosmos ausbreiteten, konzentrierten sich die echten V’Aupertir in ihrer selbst gewählten Isolation auf philosophische Themen.

Etwa in jener Zeit, im Jahr 20.188 Malkatu, besuchte der Kosmokrat Tiryk in der Gestalt eines Saddreykaren den Loolandre und erklärte Ordoban, dass im Universum seit Urzeiten den Kräften der Ordnung die Mächte des Chaos gegenüberstünden. Da diese Polarisierung, ebenso wie die Zunahme der Entropie, eine Ureigenschaft des Universums und dessen Triebkraft sei, sei es nicht korrekt, die Chaosmächte als schlecht und die Mächte der Ordnung als gut zu bezeichnen. Das wichtigste Hilfsmittel der Letzteren sei der Moralische Kode des Universums, der zusammen mit Energie und Masse unmittelbar nach dem Urknall entstanden sei und aus einer Doppelhelix informationstragender psionischer Felder bestehe, den Kosmonukleotiden, auch als Endlose Armada bezeichnet.

Tiryk beauftragte Ordoban, eine Wachflotte zusammenzustellen, die eines dieser Kosmokukleotide mit Namen TRIICLE-9, das sich rund 2,8 Millionen Lichtjahre von der Riesengalaxis Behaynien entfernt befand, bewachen und dadurch verhindern sollte, dass die Mächte des Chaos an ihm eine Mutation auslösten.

Als im Jahr 37.003 Malkatu eine intergalaktische saddreykarische Expedition eintraf, die im 127. Jahrhundert Malkatu aus Behaynien aufgebrochen war, aber relativistischen Effekten unterworfen wurde, übersah Ordoban in seiner Euphorie wichtige Warnzeichen. TRIICLE-9 verschwand. Gegen Saddreyus Bedenken brach Ordoban, der sich nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten befand, kurz entschlossen mit seiner riesigen Flotte auf, die er »Endlose Armada« nannte, um trotz der geringen Erfolgschancen das verschwundene Psi-Feld zu suchen.

Ordoban baute mit der Zeit, um sich zu entlasten, den Mythos auf, die Chaosmächte hätten TRIICLE-9 entführt. Diese Diebstahltheorie verinnerlichte er mehr und mehr. Dass die Chaotarchen tatsächlich ihre Finger im Spiel hatten, sollte sich erst sehr viel später herausstellen. Der Zeitpunkt des Verschwindens von TRIICLE-9 – 100.777.133 vor Christus – entsprach dem Beginn der viel später von ESTARTU eingeführten Segaf-Zeitrechnung in Segafrendo.

Unterdessen verließen die V’Aupertir Aupert und durchkreuzten in den Jahrmillionen des »Zeitalters der Wanderung« in fliegenden Städten das All; das Schwarze Loch Gaud’Apaug (»Ende von Allem – Anfang des Nirgendwo«) wurde zum Treffpunkt der fliegenden Städte, deren erste Megauparia war. Die V’Aupertir steigerten durch erneute genetische Manipulationen ihre Intelligenz weiter und besuchten und beeinflussten die Sternenreiche ihrer über das All verstreuten Nachkommen.

Dann nahm die Zahl der fliegenden Städte ab. Die letzten Millionen der V’Aupertir, die die körperliche Unsterblichkeit erlangt und ihre psionischen Fähigkeiten perfektioniert hatten, bauten als Höhepunkt ihrer wissenschaftlich-technischen Entwicklung ein gewaltiges Raumschiff, die ARCHE.

Während die V’Aupertir im »Zeitalter des Geistes« nach den letzten Erkenntnissen suchten, spalteten sie sich an Bord der ARCHE in zwei Parteien: in die von Doen’Gough vertretene Gruppe, die die Rückkehr zu lebensfähigen Körpern propagierte, und die Fraktion Llyn’Voughs, die die endgültige Vergeistigung anstrebte. Das war vor rund 90 Millionen Jahren.

Rainer Castor