PERRY-RHODAN-Kommentar 2119


PARAREALITÄTEN (II)


Die vom Yddith ausgehende Strahlung rings um Linckx ist im UHF-Bereich angesiedelt, mit einem Maximum in jenem Abschnitt, der normalerweise Parakräften zugeordnet wird. Da die hyperenergetische Blase die Barrieren des Standarduniversums überwindet und Pararealitäten »zugänglich« macht, braucht es nicht zu verwundern, dass es auf Linckx auch zu lokal begrenzten Strangenesseffekten kommen kann.

Mit Strangeness wird ein zwischen 0 und 1 liegender Wert bezeichnet, der die Myriaden von Paralleluniversen durch individuelle Zuordnung unterscheid- und (in der Theorie) ansteuerbar macht. In das übergeordnete Kontinuum eingebettet sind unzählige Paralleluniversen, jedes davon mit seinem eigenen Strangeness-Wert. Da dieser innerhalb eines bestimmten Universums konstant ist, spricht man auch von einer Strangeness-Konstante.

Ein absoluter Wert der Strangeness lässt sich nicht ermitteln, nur Strangeness-Unterschiede können messtechnisch bestimmt werden. Dem Standarduniversum wird der Wert 0 zugeordnet; Paralleluniversen sind somit umso weiter »entfernt« (als Grad der »Fremdheit«), je mehr ihr Strangeness-Wert von 0 verschieden ist und sich dem Extremwert 1 annähert.

Payne Hamiller hatte die von Kalup und Waringer formulierte Theorie der parallelen Universen fortgeführt. Das von ihm entwickelte »Relationenmodell der Kontinua« war allerdings stets von anderen, jedoch niemals von ihm selbst »Hamillersche Algebra« genannt worden. Er hatte den Zustand eines hyperenergetischen Feldes mit einer Gruppe von sechzehn nichtlinearen Differentialgleichungen beschrieben, die für jeden Lösungsfall mindestens 32, in erster Näherung jedoch nicht mehr als 2048 voneinander unabhängige Lösungen erbrachten.

Schon Hamiller vermutete, dass es in Wirklichkeit eine weitaus höhere Zahl an Lösungen gibt, als er zunächst glaubte – womöglich 4096 oder 8192. Mit dieser Lösungsvielfalt, die zwar nur selten eintrat, aber durchaus eintreten konnte, wusste Hamiller zu seinem Bedauern nicht viel anzufangen und hielt es für eine Schwäche seines Relationenmodells. Die Schwierigkeit war und ist, dass die Gleichungen fünfdimensionale Aspekte beschreiben und für konventionelle Phänomene interpretiert werden müssen – bei seinen Berechnungen konnte Hamiller zum Beispiel von 2048 erzielbaren Lösungen nur maximal 128 als »brauchbar« einstufen, also zu vierdimensionalen Aussagen umdeuten.

Weiterhin war er auch auf eine zunächst unerklärliche Variable gestoßen, die offenbar für die Beschreibung eines fünfdimensionalen Objektes benötigt wurde, weil ohne sie die Beschreibung unvollständig blieb. Schwierigkeiten bereitete ihm das Verhalten dieser Variablen, die sowohl die Zahl als auch die Aussagekraft der Lösungen in unvorhersehbarer Weise beeinflusste. Hamiller hatte dieses Verhalten als symodal bezeichnet, weil sie »mit zur Verhaltensweise des Lösungsausgangs« beitrug. Sie ergab sich aus der Hamillerschen Algebra sozusagen von selbst und nahm verschiedene Werte an, allerdings null, wenn sie auf das Standarduniversum bezogen wurde. Dem Phänomen, das die Variable beschrieb, gab Hamiller den Namen »Fremdartigkeit« – Strangeness. (PR-Computer 931)

Seit Hamillers Forschungen ist viel Zeit vergangen. So wird zum Beispiel inzwischen die negative Strangeness zwar mit der »anderen Möbiusseite« des Standarduniversums in Verbindung gebracht, aber »eigentlich« ist ein negativer Wert von der Definition der Strangeness an sich her nicht möglich, so dass sich mehr denn je zeigt, dass die bisherige Betrachtungsweise und der theoretische Unterbau unvollständig sind!

Wahrscheinlichkeiten nehmen zum Beispiel immer eine Zahl zwischen 0 und 1 an oder, wenn wir sie in Prozentsätzen ausdrücken, eine Zahl zwischen 0 und 100. »Wahrscheinlichkeiten«, die sich nicht in diesem erlaubten Bereich bewegen, sind stets ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Theorie »aus dem Ruder läuft« – so geschehen bei der Stringtheorie des 20. Jahrhunderts, bei der ebenfalls bestimmte Berechnungen negative Wahrscheinlichkeiten ergaben ...

Leider ist eine erweiterte oder neue Definition der »Strangeness« nicht in Sicht, so dass auch die mit der Pararealistik verbundenen Aspekte ihre Rätsel und Geheimnisse behalten. Wir wissen nur, dass Strangeness-Effekte im allgemeinen mit ultrahochfrequenten Hyperstrahlungen verbunden sind, die auf die Bewusstseine von Lebewesen irritierend, desorientierend oder lähmend wirken sowie konventionelle wie hyperphysikalische Technik stören oder ausfallen lassen. Im Extrem kann es zum Strangeness-Schock kommen, wie er meist mit einem abrupten (und/oder ungeschützten) Übergang von einem Universum zum anderen verbunden wird, weil Gegenstände, die die Grenze zwischen zwei Universen überschreiten, ihre Strangeness nur allmählich der des Fremduniversums anpassen.

Ähnlich der symodalen Variablen (der Strangeness) hat der Realitätsgradient pararealer Wirklichkeiten die Neigung, sich unter gewissen Umständen sprunghaft zu verändern – bis hin zum Übergang zu vollständigen Paralleluniversen einschließlich zu dem der höheren Mächtigkeit aller möglichen Universen des Multiversums.

Im Zusammenhang mit parallelen Wirklichkeiten haben wir es also mit dem bemerkenswerten Effekt zu tun, dass der »Sprung« von Bereichen minimalster Unterschiede hin zu solchen, die mit dem Ausgangsuniversum wenig oder gar keine Ähnlichkeit mehr haben, ziemlich abrupt auftreten kann. Welche Kräfte im Einzelnen daran beteiligt und maßgeblich sind, ist bei weitem noch nicht erforscht – sicher ist nur, dass ultrahochfrequente Hyperenergie eine Schlüsselrolle einnimmt.

Wie vor diesem Hintergrund Benjameen da Jacintas Erlebnisse einzuschätzen sind, ist – um nichts vom vorliegenden Roman vorwegzunehmen – das Thema das nächsten PR-Kommentars, einer »Quintatha-Nachlese« ...

Rainer Castor